… was Bertolt Brecht in seinem »Lied von der Unzulänglichkeit des menschlichen Strebens« beschreibt, kann man jeden Tag am eigenen Leib erfahren.

Ich selbst habe vor Kurzem erlebt, dass der Tod eines geliebten Menschen viele Pläne zunichte machte. Vieles, was ich mir vorgenommen hatte: neue Geschäftsideen ausbrüten, jede Woche Blog schreiben, meinen Roman fertigstellen: plötzlich waren die Pläne hinfällig. Soll ich also in Zukunft am besten gar nicht mehr planen? Nur noch im Hier und Heute leben? Kann ich das überhaupt? Ich suche Rat bei Achtsam­keits­forschern und bei Rolf Dobelli.

Vielleicht gehören Sie ja auch zu den Menschen, die gern To-do-Listen anlegen und immer versuchen, sie auch abzuarbeiten. Ich bin so Jemand. Ich liste vieles auf, was ich machen möchte – und dann schaffe ich doch nur einen Bruchteil. Das hinterlässt oft ein Gefühl von Frust – und ja: Unzulänglichkeit. Bin ich nicht fähig genug? Oder sollte ich einfach resignieren und mit Bertolt Brecht sagen, dass wir Menschen für dieses Leben nicht gut, nicht anspruchslos, nicht schlau genug sind? Tatsächlich neigen wir Menschen ja dazu, uns selbst, unsere Pläne und unser Zeitkonto weit zu überschätzen. Wir planen und planen – und müssen dann doch oft erkennen, dass trotz Planung vieles falsch läuft. Warum eigentlich?

Ich suche Rat bei Rolf Dobelli und seinem Buch über »Die Kunst des klugen Handelns«. In einem Kapitel beschreibt er die sogenannte »Planning Fallacy«, also den Planungsirrtum aus wissenschaftlicher Sicht: Wir Menschen planen viel – und dann kommt doch alles anders, als man denkt. Oder wie ein Sprichwort sagt: »Unverhofft kommt oft!« Man könnte auch sagen: »Der Mensch denkt und Gott lenkt.« Schließlich behauptet der Volksmund ja, wenn man Gott zum Lachen bringen wolle, dann müsse man ihm nur die Pläne der Menschen zeigen. Auch in der IT gibt es dafür einen schönen Satz: »Planning is guessing«. Wenn also Planen nicht viel mehr als Raten ist, warum tun wir es dann? Können wir nicht einfach darauf vertrauen, dass schon alles gut laufen wird, dass Gott, das Schicksal oder ein gütiger Zufall uns behilflich sein wird?

Rolf Dobelli zitiert dazu aus der Forschung. Demnach scheinen die meisten Menschen viel zu optimistisch zu sein, wenn es um ihre Zeit und ihre Möglichkeiten geht. Selten kalkulieren sie das Unvorhergesehene, das Unwägbare und Unerwartete richtig ein. Ja, das glaube ich sofort. Denn wenn wir alles im Griff hätten, gäbe es keine Kriege, keine Finanzkrisen, kein Scheitern. Dobellis Tipp ist: Man sollte bei wichtigen Vorhaben immer andere ähnliche Projekte, die schon gelaufen sind, genau unter die Lupe nehmen. Was hat funktioniert, was ging schief? Wo lagen die Probleme? Als ich das las, musste ich gleich an Stuttgart 21 denken…

Dobelli rät also, bei längerfristigen Projekten und Plänen nicht nur ein »Best case-Szenario«, sondern auch ein »Worst-Case-Szenario« zu entwickeln. Dabei sollte man so tun, als wäre man schon am Ende des Projektes und das Projekt wäre schief gegangen. Wenn man sich dabei alle unwägbaren Faktoren vor Augen führt, wird man etwas umsichtiger, wenn es um die Planbarkeit des eigenen Projektes geht.

Aber ehrlich: Ist das nicht total frustrierend? Wenn ich mir schon während meiner Planung ein Desaster vorstellen muss, werde ich dann meinen Plan überhaupt noch in Angriff nehmen? Ich glaube, mir geht dann spätestens beim »Worst-Case-Szenario« die Puste aus.

Mein Tipp für alle Planungsfreaks und To-Do-Listen-Liebhaber:

Lasst los! Plant nicht bis ins Detail jeden Zwischenschritt. Eine grobe und realistische (!) Planung, die auch den Faktor X für Unverhofftes mit einberechnet, reicht völlig aus. Viel wichtiger ist es, dem Lauf des Lebens mit all seinen Unwägbarkeiten Raum zu lassen. Dadurch entkrampfen Sie Ihre Planung. Sie werden lockerer und können viel flexibler und geschmeidiger auf Veränderungen reagieren. Ich jedenfalls werde es ab sofort versuchen.

In diesem Sinne: Genießt den Tag und bleibt achtsam!

Eure

Ingrid

 

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