Ich gestehe es, auch ich bin »Selbstoptimierer«. Jeden Morgen stecke ich meinen Schrittzähler in meine Jeans. Abends freue ich mich, wenn ich 8.000 oder 10.000 Schritte geschafft habe. Dann habe ich das gute Gefühl, etwas für meine Gesundheit getan zu haben. Aber Selbstoptimierung ist nur dann Lebenskunst, wenn sie freiwillig und in Maßen geschieht. Denn »die Dosis macht das Gift«, wie uns Paracelsus schon lehrte. Dennoch scheinen alle plötzlich in eine Art »Selbstoptimierungswahn« zu geraten. Warum nur?

Am 11. Januar 2016 strahlte die ARD die Doku »Fast perfekt – Anke Engelke und die Selbstoptimierer« aus. Ich fand die Doku hochinteressant und gut gemacht. Hier ein Link dazu:

http://www.daserste.de/information/reportage-dokumentation/dokus/sendung/fast-perfekt-100.html

Warum wollen sich also alle ständig »selbst optimieren«? Warum finden teure Fitness- und Selbstüberwachungs-Armbänder reißenden Absatz? Warum wollen 55-Jährige wie 30-Jährige aussehen? Warum darf man nicht mehr essen, was einem gut tut, sondern was »Low Carb«- oder andere Fitness- und Diätmodelle vorschreiben? Kasteit sich denn wirklich jeder, weil er selbst es so will – oder weil wir in dieser gnadenlosen Wettbewerbsgesellschaft leben?

Immer mehr gewinnen Fragen an Bedeutung wie: Wer hat die meisten »Likes« in Sozialen Netzwerken? Wer ist unter den Kollegen der Fitteste, der Schnellste, der Effizienteste, der Beste? Wer ernährt sich am gesündesten? Wer sieht am jüngsten aus? Wer trainiert besonders ausdauernd? Ich gewinne den Eindruck, dass dieser »Selbstoptimierungs-Hype« gezielt von Medien, vielleicht auch von extrem profitorientierten Unternehmen, die »Superman- und Superwoman«-Mitarbeiter heranzüchten wollen, propagiert wird. Haben wir denn heute nicht mehr die Freiheit, NEIN zu sagen, alt und gemütlich zu sein, und durchschnittlich fit statt hyperaktiv?! 

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GLÜCKSREZEPT Nr. (4): Selbstoptimierung ohne Stress

Nicht, dass Sie mich falsch verstehen: Ich bin ebenso der Meinung, dass jeder im Leben das Beste aus sich und seinen Fähigkeiten machen sollte. Auch ich versuche, mich als Trainerin, Lehrerin, Coach und Autorin zu verbessern, gesund zu leben und mich zu bewegen und ein liebenswürdiger Mitmensch zu sein, ABER: Ich tue es, weil ICH es für meine Entwicklung so möchte, nicht weil andere es mir aufzwingen. Also freiwillig, ohne Überwachung. Wohin diese »Überwachung«  führen könnte, zeigt die Doku von Anke Engelke sehr anschaulich. Mich macht es wirklich stutzig, wenn alle wie die Lemminge in dieselbe Richtung laufen. Das erinnert mich an den »Börsenhype« vor vielen Jahren, als jeder Otto Normalbürger plötzlich Aktien kaufte und jemand wie ich belächelt wurde, der diesen Trend nicht mitmachte. Was aus der »Börsenblase« geworden ist, wissen wir heute nur zu gut.

Wer sich ständig »nach oben« vergleicht, verliert!

Ich denke, Selbstoptimierung ist eine wunderbare Sache, wenn sie aus dem Herzen kommt und ich das wirklich für mich selbst mache. Das geht aber nur, wenn ich im Rahmen meiner Möglichkeiten bleibe. Wenn ich als 50-Jährige versuche, so auszusehen wie eine 20-Jährige, dann habe ich bereits verloren. Selbst wenn ich mich noch so sehr im Fitnessstudio quälen, mich mit Eiweiß und Gemüse ernähren, mich mit Botox und anderen Giften »verjüngen« würde: Ich würde doch immer nur wie eine glattgespritzte, faltenlose 50-Jährige mit guter Figur aussehen, nie wie eine 25-Jährige, die noch aus jeder Pore Jugend ausstrahlt. Ich finde, das sollte man einfach akzeptieren – und sich dem Jugend- und Selbstoptimierungswahn verweigern. Ich jedenfalls mache das so. Guter Stil – egal in welchem Alter – bedeutet für mich, zu seiner Persönlichkeit zu stehen und sich nicht von vermeintlichen »Idealen« verunsichern zu lassen.

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