Sind Sie manchmal unzufrieden?

Vom »Homo consumens«, von Ichlingen und »Selfies«

»Cogito ergo sum« hieß es früher einmal – »Ich denke, also bin ich«. Das Motto des Philosophen René Descartes (1596-1650) scheint heute bei vielen passé zu sein. Im 21. Jahrhundert gelten neue Grund­sätze wie »Ich kaufe, also bin ich« oder »Ich stelle mich dar, also bin ich«. Kaufen und konsumieren – möglichst viel und möglichst billig – das ist zur Olympia-Disziplin in der Gesellschaft geworden. Wer billig kauft, ist clever. Wer Geiz und Gier verbindet, ist der König der Schnäpp­chenkultur. Wer all inclusive bucht, ist ein kluges Spar­schweinchen.

KAUF, DU ARSCH!

GeldschweinKlein

Die Wirtschaftszeitschrift »brand eins« hat im Februar 2014 mit ihrem Aufmacher KAUF, DU ARSCH anschaulich gezeigt, wie ag­gressiv miese Werbung heute nach Kunden schreit, besonders im Internet. Der Konsument soll kaufen, kaufen, kaufen – und zwar sofort. Es wird ihm suggeriert, dass er alles haben muss, sonst ist er ein Nichts in der Gesellschaft, der sprichwörtliche Arsch.

Wen wundert´s, dass fast jeder Zehnte in Deutsch­land vor lauter »Kauf und spar« in der Schuldenfalle sitzt? Dass auch junge Menschen schon hoffnungslos überschuldet sind, weil sie sich dem Diktat »Konsu­mieren auf Teufel komm raus« unter­werfen? Dass viele Menschen unzu­frieden und deprimiert werden, weil sie sich nicht leisten können, was der Nachbar, der Facebook-Freund, der Kollege … sich leistet?

Wenn Sie mich fragen: Ich verweigere mich diesem Konsumzwang und lebe sehr zufrieden damit. Unzufrie­denheit ent­steht ja erst durch unange­mes­senes Ver­gleichen.

Wenn ich mich beispielsweise mit den Reichen und Promis ver­gleiche, die genug Geld haben, um sich jeden Luxus zu leisten, dann habe ich von Anfang an verloren, weil mein Geldbeutel einfach nicht mithalten kann. Wenn ich jetzt trotzig reagiere und versuche, mir und anderen durch Schnäppchen und Billigkäufe zu beweisen, dass ich mir auch etwas kaufen kann und auch wer bin, dann ist Folgendes passiert: Ich bin mitten hinein in die böse Falle aggressiver Werbung getappt. Seien Sie auf der Hut davor!

HOMO SAPIENS oder HOMO CONSUMENS?

Der Mensch ist immer noch ein homo sapiens, ein höheres Säuge­tier, das denken und sich für und gegen etwas entscheiden kann. Der Mensch ist kein homo con­sumens, der nur kauft und Überfluss erzeugt. Wäre das so, dann müsste unsere Gehirnmasse zusehends schrumpfen, und es würden schließlich nur noch Areale fürs Shoppen übrig bleiben.

Überfluss an Waren entsteht ja nicht allein durch umsatzgierige Unternehmen; schuld am Überfluss sind vor allem auch wir Konsu­menten. Wenn wir keinen Mist kaufen, wenn keine Nachfrage nach sinn­losen und schädlichen Billigprodukten be­steht, dann wird der Markt sie auch nicht weiter produzieren. Nachfrage regelt das Angebot: So funktioniert der Markt.

Als Konsument habe ich also Macht: Wenn ich mich nicht durch Geiz und Gier- und »Kauf, du Arsch!«-Werbung drängen lasse, wenn ich mich ver­weigere und stattdessen auf wirklich gute und ihren Preis werte Qualitäts­produkte spare, um mich dann lange an ihnen zu erfreuen, dann beeinflusse ich den Markt nachhaltig. Und wenn viele so denken und handeln, dann gibt es eine Wende hin zu echter Qua­lität, zu Ehrlich­keit und Ethik in der Wirtschaft.

MEIN BUCHTIPP:

Inter­es­sante Gedan­ken dazu finden sich auch im Buch des Schau­spielers und Umweltschützers Hannes Jaenicke:
»Die große Volksverarsche«.

FolkiDeutsch

SELFIES – der Hit in Sozialen Netzwerken

Wissen Sie, was ein SELFIE ist? Das sind jene oft dilettantischen Selbst­porträts, meist mit dem Handy oder Smartphone aufge­nom­men, die überall auf Facebook & Co., in SMSen und E-Mails auftauchen. Wer seine Selfies in Sozialen Netzwerken postet, will damit vor allem seine »Freunde« neidisch machen und zeigen: »Schau mal, wie toll ich bin und wo ich überall schon war!«

Da finden sich dann Fotos à la: »ICH seit gestern in der Kari­bik«. »ICH mit Prosecco in der Boutique – Arm in Arm mit Designer XY«. »ICH im Foyer des 5-Sterne-Luxushotels«. »ICH bei der Probe­fahrt im Porsche«. »ICH beim Nobel-Italiener« … und so weiter und so fort.

Man fragt sich da schon: Was wollen uns diese kleinen Narzisten und Ichlinge – die es bei Jung und Alt, bei Arm und Reich gibt – eigentlich sagen? Die größte Strafe für sie ist, wenn sie nicht beachtet werden. Oft verbirgt sich ja hinter so einer penetranten Ich-Präsentation eine unsichere Persön­lichkeit mit wenig Selbstvertrauen und Hang zur Selbstdarstellung.

Die gute Nachricht ist: Ichlinge sind jetzt schon vom Aussterben bedroht – auch wenn sie es noch nicht wissen. Unser Planet der Zukunft braucht Men­schen, die denken können, die nicht nur um sich selbst kreisen, sondern das Wohl der Gemeinschaft im Blick haben. Wenn Sie also wieder einmal unzufrieden sind oder sich von Ichlingen und Selfies genervt fühlen – denken Sie daran: In 100 Jahren schütteln unsere Nachfahren nur noch mitleidig den Kopf über die einstigen Auswüchse der Web-Ära.

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